Ganz herzliche Gratulation an Frieda Dörfer zum Staatspreis des Landes Baden-Württemberg für Nachwuchskunsthandwerker, den Sie vor einigen Tagen frisch überreicht bekommen hat.
Da hat das CRAFTkontor wieder einen guten Riecher gehabt, denn diese gute junge Goldschmiedin ist im Moment der dritte Part der aktuellen Jubiläumsausstellung, neben Karin Bablok und Sundari Arlt, die ich schon in den voran gegangenen Beiträgen vorgestellt habe …

Frieda Dörfer, Ei-Brosche, Messing, vergoldet, guillochiert; (Foto: David Gabriel Fischer)
Frieda Dörfer, Ei-Brosche, Messing, vergoldet, guillochiert;
(Foto: David Gabriel Fischer)

Frieda Dörfer hat in Pforzheim ihre Ausbildung gemacht und hier auch die besondere Technik gelernt, die ihre Arbeiten ausmacht; das Guillochieren.

„Das Guillochieren ist eine halbmechanische Graviertechnik, die zur Oberflächengestaltung von Schmuckstücken, Uhren oder „Taschengebrauchsartikeln“ verwendet wurde.

Ein Kooperationsprojekt der Hochschule in Pforzheim, dem Kreativzentrum EMMA und der Stiftug Deutsches Technikmuseum, Berlin, ursprünglich gepant als Aufbau einer detaillierten Datenbank für die Weitergabe von tradiertem Wissen, ist heute ein lebendiges Projekt, in dem pensonierte Meister ihres Fachs in der Schmuckindustrie manufakturelle Fertigungstechniken, die fast am aussterben sind, an junge Gestalter weitergeben: hierzu gehört das Guillochieren.

Alter Meister und junge Meisterin beim Betrachten einer guillochierten Platte...

Alter Meister und junge Meisterin beim Betrachten einer guillochierten Platte…

Das Guilloche besticht durch seine regelmäßigen und hoch glänzenden Linienmuster, die man von Zigarettenetuis und Feuerzeugen, Fabergé-Eiern, Zifferblättern und Pillendöschen kennt.
Man kann das Guilloche als Herausforderung betrachten, da es oft eine Gratwanderung ist, ob das Guilloche dem Werkstück das entscheidende Etwas gibt oder ob es mit der ganzen Ornamentierung „erstickt“ wird.


Frieda Dörfer, Halsschmuck, Messing, vergoldet, guillochiert; (Foto: Nicolas Polli)

Frieda Dörfer, Halsschmuck, Messing, vergoldet, guillochiert;
(Foto: Nicolas Polli)

Die Rundzug-Guillochiermaschine ist eine technische Errungenschaft des 17. Jahrhunderts, die aus einer Kunstdrechselbank für Holz entwickelt wurde. Auf dem gleichen Prinzip wie der Rundzug dort, basiert auch der Geradzug hier. Bei ihm wird das Werkstück in einer Spannvorrichtung fixiert, die von einer Feder an die seitlich befindliche Patrone gedrückt und mittels einer Handkurbel in eine zusätzliche vertikale Abwärtsbewegung gebracht wird.
An der Spannvorrichtung ist ein Patronentouch (Abtaststift) angebracht, der das Profil der Patrone abtastet und dadurch das Werkstück in eine schaukelnde Wellen- oder Zickzackbewegung versetzt. Die Bewegung hängt von dem jeweiligen Muster der Patrone ab.
Zeitgleich wird der auf einem Schlitten (Führungsschiene) laufende Stichel mit dem rechten Daumen an das Werkstück gedrückt.
Durch das Drehen der Handkurbel mit der linken Hand wird das Werkstück an dem Stichel entlanggezogen.
Wie beim Holzhobeln entsteht jedes Mal ein Span und etwas Material wird abgetragen.
Die guillochierte Linie allerdings bekommt durch die zwei hochglanzpolierten Stichelfacetten eine besondere Lichtreflexion.
Um die nächste Linie zu schneiden, wird der Stichel versetzt (Transport). Der gleichbleibende Abstand zwischen den Linien und die konstante Eindringtiefe des Stichels in das Edelmetall sind entscheidend für ein regelmäßiges Bild ohne „Schatten“.

Frieda Dörfer an der Guillochier-Maschine

Frieda Dörfer an der Guillochier-Maschine

Die Arbeitsweise ist geradezu meditativ. Jede der unzähligen Linien muss mit großer Aufmerksamkeit und höchst konzentriert ausgeführt werden. Es sind immer und immer wieder die gleichen Handgriffe in einer festen Reihenfolge erforderlich.
S
obald man nur eine Kleinigkeit schrittweise ändert, verändert sich auch das Ornament. Wenn es unbedacht passiert, ist das Muster gestört und die ganze Arbeit umsonst.

Das Aufkommen der Einwegfeuerzeuge, -Zigarettenschachteln und -Kugelschreiber in den 1980er Jahren beendete den Boom von guillochierten Produkten und die Technik überlebte nur knapp.
Im hochpreisigen Schmuck- und Uhrensegment, sowie in zeitgenössischem Schmuck und Kleinserien feiert das Guilloche allerdings heute ein Revival.

Selbst das komplexeste Guillochemuster hat seinen Ursprung in simplen Wellen-, Faden-, oder Zickzack, die unendlich variiert werden können.

Anfang des 19. Jahrhunderts kam ein weiteres Anwendungsgebiet hinzu: Die guillochierten Muster wurden verwendet, um Druckplatten für Wertpapiere fälschungssicher zu machen.

Die erstaunliche Regelmäßigkeit der Ornamente wird zum Einen durch den klar definierten Abstand von einer Linie zur nächsten erreicht und zum anderen durch eine streng eingehaltene Abfolge von Handgriffen, die durch Hebel und Schrauben den Verzug oder Versatz hervorbringen. Die Linien stehen stets entweder konzentrisch zum Mittelpunkt, senkrecht-parallel oder strahlenförmig zum Mittelpunkt eines Kreises zueinander. Freihand könnte man diese symmetrische Perfektion schwerlich gravieren.Die Variationsbandbreite der Muster entsteht aus unterschiedlichen Einstellungen und Kombinationen von z.B. Faden- Wellen- oder Zickzack-Linien, die wiederum durch entsprechende Einstellungen immer anders aussehen können.

Eine unendliche Spielwiese. „(FRIEDA DÖRFER)

Frieda Dörfer, Halsschmuck am Modell; (Foto: Final Residenz Magazin)

Frieda Dörfer, Halsschmuck am Modell; (Foto: Final Residenz Magazin)

Frieda Dörfers Arbeiten machen daraus ein faszinierendes Zusammenspiel einer tradierten Technik mit modern gestalteten Schmuckobjekten.
Ihre dreidimensionalen Faltobjekte, ob Halsschmuck oder Brosche nutzen die Liniengestaltung und das Licht- und Schattenspiel zur Betonung der Dreidimensionalität. Sie sind nicht reiner Dekor, sondern umspielen bzw. definieren die Formfindung.

Moderne und Tradition faszinierend verbunden…
Noch bis 10. November zu sehen im CRAFTkontor.