Parallel zur Eröffnung der Präsentation hier im CRAFTkontor, schloss die wunderbare Ausstellung „James Cook“ in der Bundeskunsthalle/Bonn.
Viele von Ihnen werden Sie gesehen haben: die damaligen Mitreisenden um James Cook habe wirklich atemberaubende Entdeckungen machen können und wir Ausstellungsbesucher gleichermaßen:
Artefakte höchster Kunstfertigkeit in den Bereichen Stoff und Gefäßweberei/Flechterei – Muster von zeitloser Brillianz und heutiger Modernität.

Für mich im Zusammenhang der Planungsvorbereitung ungeheuer interessant waren die Arbeiten aus Federn: Prunkumhänge, Helme und Schmuckkrägen, die in den polynesischen Volksgruppen den „Adeligen“ vorbehalten waren. Und nicht zuletzt Büsten des Federgottes aus Hawaii selbst, die Skulptur komplett mit Federn besetzt.

Damit war mir klar, dass ich mit der Auswahl der „Federgöttin“ Gudrun Arp, als eine der Repräsentanten des Autorenschmuckbereichs, in der jetzt bis Mitte Mai präsentierten Auswahl von Kunsthandwerk zum Thema „Federleicht und Bleischwer“, den richtigen Zeitpunkt treffe.

Federschmuck, Gudrun Arp 2006 (127)

 

Gudrun Arp ist speziallisiert auf Kolliers aus Federn: Federn des gemeinen Haushuhns genauso wie die schillernden Exemplare von Pfau, Ara, oder noch exotischeren Artgenossen (nicht von geschützten Tieren!). Sie sammelt seit Jahrzehnten.
Kleine zarte Halsreifen oder mehrreihige Kolliers/Krägen für den großen Auftritt zur Abendrobe auf dem roten Teppich- zum niederknien schön: sie sind fähig aus jeder von uns eine Diva zu machen.

Immer mal wieder wird es an dieser Stelle Hinweise auf oder Besuchsberichte von Ausstellungen geben, die herausragende Positionen europäischen Kunsthandwerks zeigen und/oder sich engagiert mit Wurzeln und Zukunft beschäftigen.

Im Moment hat man in Zürich die Gelegenheit ein wahres „Schnitt-Fest“ zu besuchen:
Psaligraphie/Scherenschnitt/Papercut:

„Symmetrie, Ausschnitt, Kontur – das sind die Merkmale des Scherenschnitts.
Als charakteristisches Schweizer Kunsthandwerk zieht die Psaligrafie seit mehr als hundert Jahren Künstlerinnen und Künstler in ihren Bann.
Das Wesen der Zeichnung durch Schere und Messer erweiternd, experimentiert der Schnitt ins Papier heute mit ungewohnten Techniken und zusätzlichen
Materialien, emanzipiert sich ins Skulpturalle oder erobert den dreidimensionalen Raum.
Den mehr als einhundert aktuellen, vom Traditionellen zum Zeitgenössischen einen weiten Bogen spannenden Werken der 7. Scherenschnitt-Ausstellung des Schweizerischen Vereins Freunde des Scherenschnitts bietet das Museum Bellerive eine Bühne mit klaren Konturen.
Im lustvollen Dialog mit rund vierzig ausgewählten Positionen der internationalen
Gegenwartskunst überrascht die bemerkenswerte Vielgestaltigkeit der Materie Papier.

In der internationalen Gegenwartskunst lässt sich heute ein erneutes Interesse an den Techniken des Papierschnitts beobachten: Als Erweiterung des Zeichnungsbegriffs wird dieser im zeitgenössischen Kontext verstanden, fremde Materialien werden einbezogen und Berührungsängste gegenüber neuen Herstellungsmethoden abgebaut. Das Papier selbst emanzipiert sich ins Räumliche und Skulpturalle – Aktualisierungen, die den Horizont des Mediums erfrischen und erweitern.“ (Text Museum Bellrive)

Museum Bellrive, Ein Haus des Museums für Gestaltung; Zürich bis 4. April
www.museum-bellrive.ch

Natürlich hat durch die Verankerung des Scherenschnitts in der Schweizer „Volkskunst“ die Ausstellung einen traditionellen Schwerpunkt, doch immer mehr auch Schweizer Scherenschneider/innen brechen auf und suchen eine zeitgenössische Sprache für ihre Kunst und erinnern wir uns an die dort auch vertretenen Arbeiten von Kara Walker: das vermeintlich Biedermeierliche wird, kaum drehen wir ihm den Rücken zu, durch die Schere zur scharfen Sozialkritik. Empfehlenswert…

Die Rückfahrt von ein paar Tagen Karnevalsflucht auf der tiefverschneiten und von Eisschollen umgebenen Insel Sylt, nutzten wir, um die Ausstellungsobjekte für „Federleicht und BLeischwer“ aus der Kunstschmiede von Ruprecht Holsten in der Nähe von Bremen abzuholen.

RuprechtHolstenKreuzvase-blog
Die Gluthitze seines Arbeitsbereiches war ein guter Kontrast zum Schneegestöber.
In der langen Schmiedetradition seiner Familie steht Ruprecht Holsten mit seinen puristischen Schalen und Interieurobjekten aus Stahl mitten im 20./21. Jahrhundert.
Pure Form und authentische Materialästhetik zeichnen seine zeitlos modernen Arbeiten aus. Sie entstehen in einer fast archaischen Umgebung zwischen Schmiedeofen, Bandschleiferei, Hofkatze und einem wunderbaren 60kg Dampfhammer, der es Holsten ermöglicht, sein 4-6mm Material zu den Schalen und Formen zu schmieden, die Sie in der Ausstellung erfreuen werden.

“ Eine besondere Bedeutung hat für die Arbeit Ruptrecht Holstens der von seinem Großvater angeschaffte Federhammer, ein altes, über einen Transmissionsriemen angetriebenes Werkzeug, das mit der ungeheuren Wucht von 60kg auf das glühende Metall donnert, es aber nur für den Bruchteil einer Sekunde berührt und zurückschnellt.
Die Hammerarbeit dieser „Aufzug-Schmiedetechnik“, die von Holsten singulär ausgeübt wird, bringt eine sehr reizvolle Oberflächenstruktur hervor, weil im Zusammenspiel von Glühen und Treiben abfallender Zunder partiell wieder eingeschlagen werden kann….
Die Ränder der fertig getriebenen Gefäße werden glänzend poliert…Die Arbeit an den Schleifriemen ist langwierig und im Gegensatz zur fast dramatischen, kraftzehrenden Schmiedearbeit von konzentrierter Ruhe geprägt.“
Uta Bernsmeier, Focke-Museum, Bremen 2004

Und wenn Sie mal gutes Kunsthandwerk auf Sylt suchen: neben vielen guten Einzelateliers (Edda Raspe / Schmuck; Birte Wieda / Schmuck; Gerd Westphal / Glas; u.v.m., gibt es das Witthüs von Anka Weber in Keitum.

Die erste Ausstellung des Jahres 2010 wirft ihre Schatten, besser Pakete voraus…
und da das neue Thema „Federleicht und Bleischwer“ heißt, gibt
es für die Paketdienste und mich einiges zu schleppen und zu stemmen:
die gewichtigen und schönen Metallschalen von Annette Zey Schale Christiane2 Kupfer painiertAnnette Zey  in ihren
maßgefertigten Holzkisten und
sehr schlichte, ursprüngliche Betongefäße fanden ihren Weg schon hierher.
Letzte ein Ergebnis der Produktentwickler der Hochschule für Gestaltung Burg Giebichenstein/Halle. Doch das wird nicht alles sein…

Spannungsreich widmen wir uns dem Kontrast der Materialien, der Dimensionen, der Gewichte. Besondere „Leichtgewichte“ werden hierzu die neuen Schmuckgestalter beitragen. Dann kann der Frühling bald kommen…